EU-Digitalisierungsziele: Deutschland reißt bald die nächste Frist

Seite 2: Mangelnde Transparenz und Datenübermittlung

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Eine Reihe von SDG-Leistungen fällt in die Zuständigkeit der Länder und Kommunen, wo die Digitalisierung traditionell noch viel zäher voranschreitet als beim Bund. Zum Beispiel muss man in Deutschland fast überall persönlich zum Amt, um seinen Wohnsitz umzumelden. Hamburg führte im September einen Onlinedienst für die Ummeldung ein, und es dürften noch einige Jahre ins Land gehen, bis die vielen Tausend anderen Kommunen den Dienst adaptiert haben. Auch die Kfz-Zulassung, die Gewerbeanmeldung und Registerauskünfte sind in Deutschland noch nicht flächendeckend übers Internet möglich.

Wie weit die Kommunen bei der SDG-Umsetzung genau sind, lässt sich kaum sagen, denn die Bundesregierung erfasst das nicht. "Inwieweit die relevanten föderalen Leistungen bis Ende 2023 flächendeckend online bereitgestellt werden können, ist momentan nicht zu sagen", teilte das BMI mit. E-Government-Experte Kühn kritisiert diese mangelnde Transparenz: "Was man nicht misst, kann man nicht steuern."

Bundesregierung und die Bundesländer wirkten zumindest bislang nicht bemüht, die SDG-relevanten Verwaltungsleistungen schneller zu digitalisieren als andere. Im Mai 2022 vereinbarten Bund und Länder die Priorisierung von 35 OZG-Leistungen. Auf der Liste fehlen diverse SDG-Leistungen, dafür sind Dinge wie die Waffenscheinerteilung und die Genehmigung der Ausfuhr von Kulturgütern enthalten. "Es ist verwunderlich, dass die SDG-Leistungen keine stärkere Rolle bei der Priorisierung gespielt haben", sagt Kühn.

Artikel 14 der SDG-Verordnung stellt den Behörden eine weitere, noch anspruchsvollere Aufgabe: Ab dem 12. Dezember müssen sie zur Abwicklung der 21 Verfahren automatisiert Nachweise an Behörden aus anderen Mitgliedsstaten übermitteln – sowie selbst Nachweise aus dem Ausland abrufen. Will zum Beispiel ein Deutscher in Dänemark ein Unternehmen gründen, sollen die dänischen Behörden die dafür nötigen Dokumente sofort übers Internet von deutschen Behörden herunterladen können. Niemand soll gezwungen sein, selbst Nachweise von einer Behörde zur anderen zu tragen. Fachleute sprechen vom "Once-Only-Prinzip".

Die Pflicht gilt immer dann, wenn Behörden auch den Bürgern ihres eigenen Landes Nachweise in digitaler Form ausstellen – in Deutschland sind das zum Beispiel Auszüge aus den Handels- und Melderegistern. Vor dem Nachweisabruf müssen die Behörden diesen in einer "Preview" anzeigen. Erst danach entscheidet der Nutzer, ob die Daten tatsächlich fließen sollen oder nicht.

Deutschland steht bei der Umsetzung von Artikel 14 vor dem Problem, dass die "Registerlandschaft" hierzulande extrem zersplittert ist: Es gibt nur wenige nationale Datenbanken (wie das Waffenregister und das Fahreignungsregister), aber viele kleine Silos auf Länderebene oder gar bei den Kommunen. Zum Beispiel gibt es in Deutschland rund 5000 Melderegister, die aber immerhin mit größeren Registern auf Länderebene vernetzt sind.

Das Unterfangen, jedes von Artikel 14 betroffene deutsche Register direkt an das Nachweisaustauschsystem der EU anzuschließen, wäre ziemlich aussichtslos. Dafür müsste jede Registerbehörde die von der EU-Kommission vorgegebenen Kommunikationsstandards implementieren, zusätzlich zu den bisher innerhalb Deutschlands genutzten Standards.